Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände e.V. (VDL)
Landesschafzuchtverband Baden-Württemberg e.V. ( LSV)
Forderungen zum Umgang mit dem Wolf und zum Schutz der Weidetierhaltung
20. September 2022
Die Schaf- und Ziegenhalter fordern die Anpassung des Wolfsmanagements in Deutschland an die tatsächlichen Gegebenheiten. Seit über 20 Jahren gibt es reproduzierende Rudel in Deutschland. Der Wolfsbestand hat mittlerweile jährliche Zuwachsraten von 30% und besteht gegenwärtig aus 157 Rudeln, 27 Paaren und 19 territorialen Einzeltieren (Monitoringbericht DBBW 2020/21). Die Anzahl Einzeltiere ist nicht veröffentlicht, wird aber für das Jahr 2022 auf nahezu 2.000 Individuen geschätzt. Ein aktives Bestandsmanagement ist längst überfällig, ansonsten wird es zu nicht umkehrbaren Strukturveränderungen in der Weidetierhaltung kommen. Wer die biologische Vielfalt fördern, die Nutzung von Grünland sichern und die Kulturlandschaft auch in Zukunft pflegen will, muss die Bestandsregulierung des Wolfes auf den Weg bringen. Die Schafhalter haben sich intensiv für eine Aufnahme des Themas Wolf in die Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene eingesetzt. Darin heißt es: „Wir werden mit allen in diesen Fragen befassten Organisationen und Verbänden einen institutionalisierten Dialog „Weidetierhaltung und Wolf“ einrichten. Wir werden durch eine Überarbeitung der Monitoring Standards die Anzahl der in Deutschland lebenden Wölfe realitätsgetreu abbilden und wollen den Ländern europarechtskonform ein regional differenziertes Bestandsmanagement ermöglichen.“
Es gilt jetzt, diese Vereinbarung auch umzusetzen. Aus Sicht der VDL müssen dabei insbesondere folgende Themen berücksichtigt werden:
- Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes
Um Managementmaßnahmen, für die der Artikel 16 der FFH-Richtlinie die notwendigen Ausnahmen vom strengen Schutz ermöglichen, rechtssicher anzuwenden, ist eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes hin zu einer 1:1-Umsetzung von EU-Recht dringend erforderlich. Für die notwendige Regulierung der Wolfspopulation über eine ordnungsgemäße Jagd sollte der Wolf aus Anhang IV in Anhang V der FFH-Richtlinie überführt werden.
- Erstattung der Aufwendungen und Entschädigung der Schäden
Die Rückkehr des Wolfes erfolgt vor allem zu Lasten der Schaf- und Ziegenhalter. Der Schutz der Tiere verursacht einen enormen finanziellen und arbeitswirtschaftlichen Aufwand. Die EU hat die vollumfängliche Erstattung aller mit der Wolfsbesiedlung verbundene Maßnahmen ausdrücklich genehmigt. Diese müssen durch einen Rechtsanspruch gesichert, komplett erstattet und bundesweit einheitlich geregelt werden. Die von der Bundesregierung über den GAK-Rahmenplan eingeführte Förderung investiver und laufender Kosten zum Schutz vor dem Wolf ist fortzuführen. Die Voraussetzungen für die Förderung sind praxisgerecht anzupassen.
Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) hat dazu eine aussagekräftige Kostenübersicht erarbeitet. Diese sollte als Grundlage für die Erstattung des Mehraufwandes der Schafhalter genutzt werden. Können höhere Kosten (z. B. in Koppelschafhaltungen) nachgewiesen werden, so sind auch diese zu erstatten.
Es muss jedoch akzeptiert werden, dass der Herdenschutz seine Grenzen hat. Bei vielen Schafhaltern sind die bisherigen Präventionsmaßnahmen, trotz aller Bemühungen, nicht möglich oder zumutbar (u.a. vor dem Hintergrund Schadenswahrscheinlichkeit, örtliche Landschaftsstrukturen, Herdenstruktur, erforderlicher Arbeitsaufwand nicht angemessen oder zumutbar). Herdenschutzmaßnahmen müssen ebenso verhältnismäßig sein wie die gezahlten Entschädigungen und Präventionsförderungen. Basis für alle Entschädigungen muss das bisher erforderliche Herdenschutzniveau ohne Anwesenheit des Wolfes sein.
- Deutschland braucht ein wirkliches Wildtiermanagement für den Wolf
Der Gefährdungsstatus der Mitteleuropäischen Population des Wolfes ist auf der Basis aktueller Daten und unter Einbeziehung europäischer Nachbarländer zu hinterfragen und anzupassen. Das schließt insbesondere eine Regulierung bezüglich der Anzahl und der Standorte ein. Ziel dieser Forderung ist, der bisher unregulierten Bestandsentwicklung entgegenzuwirken, um gezielt die Entwicklung von Wolfsrevieren zu beeinflussen. Es muss im dichtbesiedelten Deutschland wolfsfreie Regionen geben, in denen aktiv die Besiedlung durch den Wolf verhindert wird. Als solche sind die Küsten- und Alpenregionen aber auch dicht besiedelte Ballungsräume und große Grünlandregionen mit verbreiteter Weidetierhaltung zu nennen. In den durch den Wolf besiedelten Gebieten müssen geeignete Maßnahmen entwickelt werden, um den Wolf von Weidetieren fernzuhalten. Auch Deutschland benötigt eine Option zur Regulierung des Wolfes so wie z.B. Frankreich, Finnland oder Schweden, obwohl er dort ebenfalls über Anhang IV der FFH-Richtlinie streng geschützt ist.
- Auf Weidetiere spezialisierte Wölfe sind unverzüglich auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage zu entnehmen.
Die Entnahme hat zu erfolgen, wenn ein Wolf oder ein Rudel den vorhandenen Grundschutz überwunden hat.
Der Grundschutz ist gegeben, wenn
- ein 90 cm hoher, komplett geschlossener Netzgeflecht- oder Litzenzaun vorhanden ist, dessen Abstand zum Boden höchstens 20 cm beträgt.
- bei Litzenzäunen der Abstand zwischen den Litzen nicht größer als ca. 20 cm ist.
- E-Zäune eine Spannung von mindestens 2.000 V, 1 J aufweisen.
- Maschendrahtzäune mindestens 100 cm hoch sind.
Für Gebiete, in denen der Grundschutz nicht möglich ist, sind wolfsfreie Gebiete einzurichten. Zur Verhinderung einer Wolfsansiedlung in diesen Gebieten sind rechtliche Regelungen zur Entnahme zu schaffen und Schäden, trotz fehlender Schutzmaßnahmen, zu erstatten.
- Beweislastumkehr notwendig
Im Falle der Entschädigung von Rissen durch den Wolf ist eine Beweislastumkehr erforderlich, d. h. es muss von behördlicher Seite nachgewiesen werden, dass der Schaden nicht durch den Wolf verursacht wurde. Ist der Wolf nicht auszuschließen, muss ein Anspruch auf Entschädigung des Tierhalters bestehen.
- Klärung von Haftungsschäden gegenüber Dritten
Keine Haftung des Schafhalters im Rahmen der Tierhalterhaftung bei Schäden Dritter infolge eines Angriffs großer Beutegreifer, Änderung des § 833 BGB.
Autor: Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände e.V. (VDL)
Landesschafzuchtverband Baden-Württemberg e.V.
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